Der 14. Tag „Kiew … the Final Countdown“
Was für eine Nacht … die Mücken haben mich aufgefressen … doch egal, unter der Dusche trifft man sich wieder und ich richte ein wahres Blutbad an … mit meinem Eigenen …
Die Überraschung erfahren wir, als wir uns alle zum Frühstück begeben wollen … kein Frühstück im Hotel. Aber die muffige Dame am Empfang gibt uns einen Tipp, keine fünf Gehminuten entfernt. Das aus diesen fünf glatte zwanzig Minuten werden, hat zu diesem Zeitpunkt keiner geahnt. Die Sonne brennt vom Himmel, als wir uns auf den Weg machen. Ich habe Kohldampf … und Kaffee hatte ich auch noch keinen. Die Augen wollen einfach nicht aufgehen …
Wir haben es dann endlich geschafft und wurden wirklich belohnt. Ein Restaurant, wir sitzen im Hof und schauen uns um … einfach toll. Die Bedienung ist supergut und das Frühstück auch. So können wir den letzten Weg nach Kiew auf uns nehmen.
Wir machen die Räder startklar und verabreden und mit Sergei und Tanja nach 30 km. Sie sollen uns nur aus der Stadt begleiten bis zur Transitstrecke. Dort erwarten uns ein super Asphalt und ein schön zu nutzender Standstreifen. Wir kommen gut voran … die Sonne und Hitze zwingen uns zum vielen Trinken … aber wir kommen unserem Ziel Stück für Stück, Kilometer um Kilometer näher … Kiew.
Nach 60 Kilometer feinster Straße holt uns die alte Ukraine jedoch wieder ein. Wir passieren ein 15 km langes „Schüttelstück“ mit Schlaglöchern und fehlendem Seitenstreifen. Volle Konzentration ist nötig und immer, wenn man einen LKW von hinten heranrauschen hört, denkt man auf dieser schmalen Straße … Lieber Gott, mach das es wenn schnell geht … Zwar schaffen wir auch dieses Stück aber wir haben Zeit verloren. So entschließen wir uns nach gut 80 km, unserem Ziel im Tourbus ein Stück entgegen zu fahren. So ca. 15 km vor der Stadtgrenze setzen wir wieder ein. Der Verkehr hat so nahe an der Stadt ganz schön zugenommen. Wir beschließen, das Sergej und Tanja mit Warnblinker hinter uns fahren sollen, damit wir nicht so kurz vor dem Ziel noch eine böse Überraschung erleben.
Da, plötzlich sehe ich links von uns einen Polizeiwagen und dahinter … mit dem gelben T-Shirt wie eine Leuchte … Olli … Wahnsinn … wir haben es geschafft!
Die Freude bei uns und natürlich auch bei Olli ist riesengroß … Umarmungen und Tränen bei allen … doch egal, die wischen wir weg … wir haben ja noch ein Stück vor uns bis zum Club der „Landsleute“. Olli erklärt uns noch, dass der Polizeiwagen vor uns fahren wird und das … kurz vor der Moskau Brücke (die größte und berühmteste in Kiew, KEIN Radfahrer darf normalerweise auf ihr fahren) auch schon Fernsehteams auf uns warten um uns dabei filmen, wie wir sie überqueren.
Das ist Ansporn für uns. Wir fahren weiter, die Polizeieskorte vorweg, dahinter Olli im Caddy und dann Sergej mit dem Tourbus. So geht es auf der rechten dreispurigen Straße Richtung Zentrum Kiew. Das Adrenalin, was in uns pumpt, setzt neue Energien frei, wir erhöhen das Tempo … auch wenn bei mir schon alle Muskeln rot anzeigen … diese Euphorie ist der Wahnsinn. Beim Zwischenstopp haben wir noch an Rainers Lenker die Deutsche Fahne und an meinen die Ukrainische Nationalfahne angebracht … Menschen in Autos überholen uns, hupen und winken uns zu … ein verrücktes Gefühl … so von allen beobachtet über eine dreispurige Straße zu donnern.
Kurz vor der Brücke stehen sie dann mit Ihren Kameras … die Brust schwellt … Stolz, es endlich geschafft zu haben … doch es folgen noch ein paar nette Anstiege … die nach über 110 km an meinen letzten Reserven zehren.
Wir fahren über die Moskau Brücke … doch es ist Rush-Hour und unsere Triumphfahrt gerät so natürlich ins Stocken … wir schieben mehr, als das wir fahren … aber egal … es ist ein soooooo „geiles“ Gefühl … doch es soll noch besser kommen.
Nach der Brücke wird der Verkehr entzerrt … wir nähern uns unserem Ziel … Olli brüllt hinter uns aus dem Auto heraus, das es noch fünf Minuten sind … wir biegen rechts ab, eine Brücke hinauf, ein letzter heftiger Anstieg … wir steigen aus den Sätteln, es ist mörderisch, ich denke bei jedem Tritt, das meine Waden sich gleich verabschieden müssten aber ich halte durch … nur noch wenige hundert Meter.
Was wir dann sehen und erleben kann man schwerlich beschrieben … wir werden durch einen Polizisten auf einen Parkplatz gewunken … und sehen 400-500 Menschen … jubelnd und mit deutschen und ukrainischen Fahnen schwenkend … sie winken uns zu, schreien und je als wir näher kommen … sie klopfen uns auf die Schultern … Shake Hands … es ist der absolute Wahnsinn was hier abgeht … was keiner von uns je erwartet hätte … dieser Empfang … es geht auf den Fußweg hinauf … wir können uns grade so nebeneinander drängeln … jubelnde Menschen und Kinder um uns herum … und vor uns ein rotes Band und … Tamara die uns mit Tränen in den Augen und einer Schere erwartet.
Wir schicken Lissi vor, nach dieser Leistung obliegt es Ihr, unser Zielband endlich durchzuschneiden.
Als ich das hier schreibe, bekomme ich immer noch eine Gänsehaut und mit durchströmt ein so tolles Glücksgefühl … man kann es einfach nicht beschreiben.
Dieser Empfang, wir stellen die Räder ab, jeder von uns bekommt einen riesigen Blumenstrauß und wir werden von Mädchen in ukrainischen Trachten begrüßt … mit Brot und Salz … wir sind wirklich Helden … und haben es geschafft … doch ein Ende ist nicht in Sicht, neben diversen Ehrungen und Interwievs mit verschiedenen Fernsehsendern sind noch einige Auftritte nur für uns geplant. Wir genießen einfach nur und lassen alles auf uns einwirken.
Gegen sechs Uhr hat sich der Lärm gelegt. Die Kinder haben Ihr Eis bekommen und wir gehen in den Club. Endlich ein wenig Ruhe … Tamara und die Mädels haben uns etwas zu essen vorbereitet. Und als Überraschung … auf uns wartet eine Masseurin, die unsere müden Rückenmuskeln auf Trab bringt … Genuss pur, der absolute Wahnsinn … aber die Zeit drängt, wir müssen um 08:00 Uhr wieder da sein, es gibt einen kleinen Empfang für uns mit dem „harten Kern“. Also schnell das Auto weggebracht und unsere Quartiere bei unseren Gastgebern beziehen.
Man hat mich bei Ludmilla untergebracht. Sie ist 55 Jahre alt und Ihr Sohn ist in meinem Alter. Er ist in Moskau, ist dort Chefredakteur Mode bei GQ, einem Männermagazin. Sie ist absolut nett, ich darf ihr Schlafzimmer beziehen, während Sie auf dem geschlossenen Balkon nächtigt. Sämtliches Gemecker meinerseits zeigt jedoch keine Wirkung, ich bin halt der Gast. Also schnell geduscht und wieder zurück in den Club.
Man erwartet uns bereits sehnsüchtig, endlich haben wir Gelegenheit, vor allen Dingen Tamara, aber auch die anderen kennen zu lernen. Bei den Sprachbarrieren hilft uns Tanja … es war ein wunderschöner, feuchtfröhlicher Abend, der uns alle eng zusammen schweißte.